Schon auf dem Weg ins Eisacktal wird mir wieder mal bewusst, wie schön Südtirol doch ist. Die gezuckerten Berggipfel glitzern weiß in der Sonne. Das Goldgelb der Weinbergreben und das knallbunte Herbstkleid der Laubwälder wechseln sich ab.
Angekommen beim alten Pacherhof in Neustift empfängt mich Max, ein sechs Jahre alter Berner Sennen, der mich mit seinen hübschen, treuen Kulleraugen mustert und lieb beschnüffelt. Überall treffe ich wanderfreudige und gut gelaunte Touristen, die schon ihre Rucksäcke bepackt haben und sich emsig auf den Weg ihrer geplanten Wandertour machen.
Die Weinliebhaber aber treffen sich im Hof, wo bereits der Kellerführer namens Michael die ersten Gläser füllt. Ich darf 5 von 8 Weißweinen verkosten. ‚Das Eisacktal bietet die besten Bedingungen für deren Produktion, denn es braucht schottrige, sandige und mineralhaltige Böden in Hanglage.‘ erklärt der Experte. Auch der Unterschied zwischen den warmen Tagen und den kalten Nächten sei ziemlich wichtig, damit der Wein besonders gut gelingt. Als ersten verkosten wir einen Müller Thurgau. Michael lacht schon und sagt: „Wie ihr bestimmt wisst, darf man bei einer Weinverkostung den Wein auch ausspucken – aber es wäre halt schade um den guten Tropfen!“
Wie Wein zum Genuss wird
„Ein Wein weist verschiedenste Facetten auf – welche Farbe hat er, wie riecht er, wie schmeckt er? Schlussendlich soll man einen Kontakt zum Wein herstellen und ihn bewusst wahrnehmen – so wird Wein zum Genuss. Die Weintechnik und die Weinkultur führen zwar zum Thema hin, aber wichtig ist eigentlich, ob der edle Tropfen schmeckt!“ sagt der Kellerführer lachend.
Der Müller Thurgau wird mit einem hellen Strohgelb eingestuft. Dann schwenken alle das Glas. Ein Wein kann sehr viele fruchtige Duftnuancen aufweisen und genau das macht ihn so lieblich. „Endlich kommen wir zum Geschmack“ lächelt der Kellerführer – „dafür benützen wir Lippen und Gaumen“. Michael erklärt uns nochmals, wie Menschen schmecken. „Mit der Zunge schmecken wir vorne süß, seitlich die Mineralstoffe und die Säure dann etwas weiter hinten. ‚Der Müller Thurgau vom Pacherhof ist ein sehr leichter und spritziger Wein mit einer besonderen Säure’ schwärmt er. ‚Deshalb passt er gut zu Vorspeisen und gedämpftem Fisch.‘
Den nächsten Wein kosten wir auf einer Terrasse, auf der es mir fast die Sprache verschlägt – ich muss zugeben, das passiert eher selten. Das Bergpanorama alleine hätte dazu schon gereicht, doch wird dieses noch eingerahmt von einer traumhaften Weinlandschaft und einem wunderschönen Garten, der in seiner spätherbstlichen Pracht erstrahlt.
Ein Sylvaner, auch strohgelb, und auf jeden Fall klassisch fürs Eisacktal, wird aufgeschenkt. Er ist zwar weniger stark im Geruch, doch im Trunk überzeugt er durch fruchtige Töne wie Ananas und weißen Pfirsich.
Michael führt uns zum ersten von vier Weinkellern, vorbei an Fässern, wo Familie Huber sogar das Sauerkraut selbst herstellt. Die Gäste sind begeistert. Im Weinkeller reiht sich ein Holzfass ans nächste, einige sind aus Akazienholz und die anderen aus Eichenholz. Sie sorgen für die Weichheit und die Farbe des Weins, dessen Qualität immer bereits im Weinberg beginnt.
Auf zum Weinverkostungsraum – mein persönlicher Favorit dieses Tages, weil Alt und Neu sich gegenüberstehen und dennoch perfekt miteinander harmonieren. In der Mitte befindet sich ein Tisch aus Massivholz, der von stilvollen Leuchten in Szene gesetzt wird. Wir trinken einen Riesling vom Pacherhof, der es wirklich in sich hat. Tonis Glas wird als erstes gefüllt; er freut sich sichtlich über den neuen Tropfen. Dieser Wein hat eine schöne Säure, duftet wie Birne, Marille und auch ein bisschen nach Holunder. „Die Flasche hat eine goldene Kapsel, das bedeutet, der Wein kann länger im Keller bleiben – aber höchsten 3-5 Jahre“ erklärt Michael. Er begutachtet die halb leeren Speck- und Käseteller in der Tischmitte und sagt dann: „Bevor ihr den Speck nicht aufgegessen habt, können wir mit dem nächsten Wein nicht fortfahren, denn der ist nicht geeignet für diese Speisen.“
Wein macht glücklich – das hat Goethe schon gesagt
Unser letzter Wein ist ein 'Sylvaner – Alte Rebe', dies ein ganz besonderer Tropfen, der nur zu besonderen Anlässen getrunken wird. Die Rebstöcke dieser Trauben sind älter als 40 Jahre. Dieser Wein ist sehr harmonisch und hat eine sehr weiche Komponente. Man riecht den Duft von Ananas, Banane und sogar etwas Pfeffer. 'Es ist gleich wie bei den Männern.' schmunzelt Michael: 'Je älter, desto besser, aber desto geringer ist der Ertrag.'
Lachend und fasziniert von der Eisacktaler Weinwelt verlassen wir den Raum, immer noch den weichen runden Geschmack des Sylvaners im Mund. Einige steuern direkt auf das Gebäude des Weinverkaufs zu oder verstauen ihre gekauften Schätze bereits im Auto.
Das Hotel Bacherhof organisierte dieses Weinerlebnis für seine Stammgäste im Rahmen der Stammgästewochen zum ersten Mal, und das mit großem Erfolg. Zweifelsohne gibt es im nächsten Herbst eine Wiederholung, denn alle Anwesenden wollten das Ganze gleich nochmals von vorne erleben.